Bosch SOFC-System im Wasserstoff Campus versorgt das Werk mit Energie
In Salzgitter wird die Energieversorgung der Zukunft einem ambitionierten Praxistest unterzogen: Regionale Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik erproben gemeinsam den Energieträger Wasserstoff. Bosch beteiligt sich am Wasserstoff Campus mit dem Festoxid-Brennstoffzellensystem SOFC, einem dezentralen Erzeuger von Strom und Wärme. Aktuell noch im Erdgasbetrieb, ist das langfristige Ziel, die Brennstoffzellen mit Wasserstoff zu betreiben, um das Bosch-Werk Salzgitter emissionsarm und autarker mit Energie zu versorgen.
Frischer Wind aus Niedersachsen
Es hat gute Gründe, wieso ein großer deutscher Wasserstoff Campus seinen Standort in Salzgitter hat. In Niedersachsen wird viel regenerative Energie erzeugt: in Windparks an Land und im Wattenmeer (sogenannte Offshore-Windparks) sowie aus Photovoltaikanlagen. In Wilhelmshaven und Stade sind große Terminals für Flüssiggastanker im Bau oder geplant. Eine erste Wasserstoffpipeline soll in naher Zukunft Salzgitter erreichen. Für das Bosch-Werk Salzgitter, das Motorsteuergeräte produziert, die ideale Basis für den Test von Wasserstofftechnologien zur Energieversorgung.
„Es ist ein bisschen wie bei Tekkies: Wenn jemand ein neues Hightech-Baby mitbringt, wollen es alle ausprobieren und das Zukunftspotential selbst erleben. “ Veronique Treuheit sagt diesen Satz mit einem Lächeln. Die Bauingenieurin leitet das Facility Management im Bosch-Werk Salzgitter und ist dafür zuständig, dass die Brennstoffzellen in die Versorgungsinfrastruktur des Standorts eingebunden werden und dass die Infrastruktur zukünftig auch mit dem neuen Energieträger Wasserstoff einwandfrei funktioniert.
Mit dem „Hightech-Baby“ meint sie die zehn Brennstoffzellen von jeweils 10 kW Leistung, die Strom und Wärme für das Werk erzeugen. Die von Bosch entwickelten Festoxid-Brennstoffzellen, kurz SOFC, laufen hier unter den realistischen Bedingungen eines bestehenden Produktionswerks. Im Pilotbetrieb werden sie zunächst mit Erdgas betrieben und tragen zu etwa fünf Prozent zum Energiebedarf der Produktion in Salzgitter bei. Dieser Anteil wird steigen, außerdem werden die Brennstoffzellen zur Wärmegewinnung eingesetzt. Es ist allerdings nicht allein das Testen technischer Innovationen, das Bosch zu seinem Engagement auf dem Wasserstoff Campus motiviert. Es geht um Versorgungssicherheit und Klimaneutralität. Dass Industriegesellschaften gefordert wie nie sind, wenn Energieabhängigkeiten zu groß werden, hat das Jahr 2022 vor Augen geführt. Wasserstoff hingegen ist ein Energieträger mit faszinierenden Perspektiven, denn er ist unabhängig von Rohstoffen. Wird das Gas mithilfe regenerativ erzeugten Stroms hergestellt, lässt sich seine Energie speichern, ist emissionsarm und zukunftsfähig. Man spricht dann von grünem Wasserstoff. In SOFC-Brennstoffzellen wieder in Strom verwandelt, eignet sich Wasserstoff zur stationären, dezentralen Energieversorgung von Industriebetrieben, Rechenzentren oder auch Wohnquartieren und Nutzgebäuden.
Technologieprojekt Wasserstoffcampus
Der Pilotbetrieb der SOFC-Brennstoffzellen ist Teil des Forschungs- und Technologieprojekts Wasserstoff Campus Salzgitter, in dem mehrere Projektpartner kooperieren.
Kolja Backsmann, Ingenieur und seit 2005 für Bosch tätig, leitet hier das Projekt Fabriktransformation. Zudem vertritt er das Unternehmen im Wasserstoff Campus mit dessen zahlreichen Kooperationsprojekten. „Der Wasserstoff Campus hat das Ziel, Wasserstofftechnologie in der Region zu etablieren und erlebbar zu machen. Von der Herstellung über das Speichern und Transportieren bis hin zum Einsatz als Energieträger. Der Campus soll durch Information und Vorbildfunktion neue Akteure motivieren, Wasserstofftechnik auf ihre Agenda zu nehmen“, erklärt er den Ansatz, eine Keimzelle für Technologietransfer zu schaffen.
Im Bosch-Projekt Fabriktransformation beschäftigt sich Kolja Backsmann damit, das Energiesystem des Werks in Richtung Zukunft weiterzuentwickeln. In Salzgitter fertigen etwa 1400 Mitarbeitende elektronische Steuergeräte. „Fabriktransformation bedeutet in diesem Sinn, dass wir Techniken einsetzen und erproben, um am Standort CO2-neutral, energieeffizienter und energieflexibler zu werden. Die SOFC-Brennstoffzellen sind Teil dieses Gesamtsystems und sollen in Zukunft wasserstoffbasiert zum Energiebedarf unseres Werks beitragen.“ Veronique Treuheit ergänzt: „Für das Facility Management ist es natürlich spannend, eine völlig neue Technologie in ein bestehendes Versorgungssystems zu integrieren. Jeden Tag stellen sich neue Fragen, auf die wir neue Antworten finden.“
Die Zeit bis zur Umrüstung auf Wasserstoff nutzen Veronique Treuheit, Kolja Backsmann und ihre Kolleginnen und Kollegen dafür, die ganzheitliche Regelungstechnik so zu entwickeln, dass die eigenerzeugte Energie im größtmöglichen Umfang im Fabriksystem eingesetzt wird. Zum Steuerungskonzept gehört auch, dass das reale Energieversorgungssystem in einem digitalen Zwilling gespiegelt wird. Die Idee dazu erläutert Kolja Backsmann: „Mit diesem virtuellen Abbild kann Bosch den Betreibern nicht nur die Brennstoffzellen-Units bereitstellen, sondern auch den Service-Umfang. Bei Wartungsarbeiten wissen die Bosch-Technikerinnen und -Techniker im Voraus, wo sie im System ansetzen müssen, und können die benötigten Tauschteile gleich mitbringen.“ Auch die Kontrolle von Energieproduktion und -verbrauch wird über den digitalen Zwilling deutlich einfacher.
Energiesysteme für die Zukunft
Die Wahl des Pilotstandorts für die Fabriktransformation fiel auf Salzgitter, weil der Wasserstoff Campus wichtige Infrastrukturelemente bereitstellt. Ziel ist, die Energieversorgung des Werks auf mehrere Beine zu stellen, um es emissionsarm und energieeffizient zu betreiben. „Unsere Photovoltaikanlage produziert bereits Energieüberschüsse, die sich in Form von Wasserstoff speichern lassen und durch die SOFC wieder in Strom gewandelt werden können“, berichtet Facility Managerin Veronique Treuheit.
Im Werk Salzgitter hat Bosch 2021 eine 25.000 Quadratmeter große Photovoltaikanlage mit 2,7 Megawatt Leistung installiert und sie 2022 um weitere zwei Megawatt ausgebaut. Nächster Technologieschritt soll die Installation eines sogenannten ElektroIyseurs sein. Er soll die Energieüberschüsse der Photovoltaikanlage in Wasserstoff umwandeln, der dann in einem ebenfalls projektierten Tank gespeichert wird. „Wenn der Elektrolyseur installiert ist, können wir diesen regenerativ erzeugten grünen Wasserstoff auch anderen Partnern auf dem Campus liefern“, fügt Kolja Backsmann hinzu. Außerdem gibt es Pläne, Teile der Intralogistik zwischen den Bosch-Werken auf wasserstoffbetriebene Fahrzeuge umzustellen. „Mit der Wasserstofftechnologie erschließen wir eine zukunftssichere Energiequelle, für die außerdem noch spricht, dass sie emissionsarm ist. Die große Chance hier in Salzgitter ist, die SOFC-Technologie im Bosch-Werk zu erproben, um sie reif für Kundenanwendungen zu machen“, resümiert Veronique Treuheit.
Die dezentrale Strom- und Wärmeversorgung aus Wasserstoff, wird ein wichtiger Baustein der Energiewende sein. Überschüssiger Strom aus Photovoltaikanlagen oder Windkraftwerken lässt sich an vielen Orten per Elektrolyse in Wasserstoff umwandeln und ins Gasnetz speisen. Wenn weniger regenerative Energie zur Verfügung steht, kann dieser Wasserstoff dann wieder in Brennstoffzellen umgesetzt und der gewonnene Strom ins Stromnetz zurückgespeist werden. Noch weiter in die Zukunft reichen Pläne und Ideen, Wasserstoff direkt in Offshore-Windkraftwerken durch Elektrolyse herzustellen und in Pipelines zu den Abnehmern zu fördern.
Die Fabriktransformation im Überblick
Der Standort Salzgitter erprobt den Mix verschiedener Energiequellen. Ein zentraler Baustein sind zehn SOFC-Brennstoffzellensysteme auf dem Wasserstoff Campus. Sie sind stationäre, dezentrale Energielieferanten und werden in der finalen Ausbaustufe mit regenerativ erzeugtem, grünem Wasserstoff betrieben. Erprobt werden die Herstellung, der Transport und die Speicherung von Wasserstoff sowie die Energieversorgung des Bosch-Werks aus unterschiedlichen regenerativen Quellen. Ziel ist, den Standort emissionsarm, energieflexibel und energieeffizient zu betreiben. Zum Konzept gehört auch ein sogenannter digitaler Zwilling des Versorgungssystems, der Service- und Wartungsarbeiten zielgenau optimiert.
Ziele
CO₂-Neutralität, Energieeffizienz und -flexibilität für das Bosch-Werk Salzgitter.
Anwendungsbereich
Industrieumfeld. Dezentrale Strom- und Wärmeversorgung.
Einsatzort
Bosch-Standort Salzgitter. In Salzgitter wird Motorsteuerelektronik hergestellt.
Fabriktransformation bedeutet, dass wir innovative Technologien erproben, um am Standort CO₂-neutral, energieeffizienter und -flexibler zu werden. Die SOFC-Systeme sind Teil dieses Gesamtsystems und sollen in Zukunft wasserstoffbasiert zur Energieversorgung unseres Werks beitragen.
- installierte SOFC-Units im Werk
- kW elektrische Energie (nominal)
- kW thermische Energie
- Prozent Abdeckung des Strombedarfs im Werk
- Betriebsstart der ersten SOFC-Systeme
Das Bosch SOFC-System befindet sich in der Pilotierungsphase. Alle hier genannten fachlichen Angaben sind technologische Entwicklungsziele und beziehen sich auf den Beginning of Life.